Antigua – I

Antigua – I

Vorgestern habe ich wie geplant in der Ankerbucht Deshaies auf Guadeloupe geankert – sozusagen das Sprungbrett nach Antigua, von wo aus man in 48 Seemeilen, also in einem Tagestörn, dorthin gelangen kann.
Ich hatte den Anker gut eingefahren, zumindest hat sich die good old Lady bei Vollgas rückwärts nicht mehr bewegt. Ich habe dann ein letztes Mal für die Überfahrt das Unterwasserschiff und den Propeller von Bewuchs gereinigt und auch den Anker abgetaucht. Verdammt, der Anker war nicht eingegraben, er hatte sich zwischen Felsen verkeilt. Das Manöver nochmal zu fahren, um dann evtl. wieder einen Felsen zu erwischen, hatte ich keine Lust und bis dahin hatte der Anker ja gut gehalten, trotz Böen mit 24 kn Wind in der Bucht. Den Ankeralarm hatte ich recht knapp eingestellt, sollte wohl passen.
Nachts um 1 Uhr hat der Wind dann aber komplett um 180° gedreht, zwar nur schwach, aber ich bin dann zweimal echt nah an meinem Nachbarn vorbeigeschwojt, der wohl weitaus mehr Kette als ich gesteckt haben muss. Und noch dazu mit dem nicht vernünftig eingegrabenen Anker habe ich schnell entschieden, sofort abzufahren. Das ist zwar immer ein bisschen blöd im Dunkeln, der Mond war auch fast weg, aber wenn alle brav ihr Ankerlicht gesetzt haben, wird’s schon gehen. Das Navigieren ist mit der elektronischen Seekarte ja zum Glück auch durch die Dunkelheit kein Problem.
Wind war draußen wieder reichlich, und so bin ich schon gegen 11:00 in Jolly Harbour auf Antigua angekommen. Das war auch richtig gut so, denn das Einklarieren dauerte ewig. Ich bin also erst in die Marina gefahren, Custums und Immigration sind meist in der Nähe. Als der Dockmaster meine gelbe Quarantänefahne gesehen hat, meinte er, ich müsse erst zum Einklarieren, dahinten, hinter der Megayacht das Haus mit dem gelben Dach – hatte ich zumindest verstanden. Da war sogar das Haus mit dem gelben Dach, also davor festgemacht – war aber nicht Customs & Immigration. Also auf die Straße und in der Gluthitze die Waterfront abgelatscht – nichts. Ich habe dann jemanden mit so einem Golfcar angehalten, der meinte, es sei in der anderen Richtung, ich könne einsteigen. Prima, er hat mich direkt dort rausgelassen! Mein erster Aufenthalt dort war nur kurz: Wo ist denn ihr Boot? Das liegt dahinten! Herholen! Ok, also zu Fuß zurück, dann schnell noch das Boot einigermaßen aufgeräumt (die werden dann ja wohl an Bord kommen wollen) und an den Einklarierungssteg verholt. Da wehte sogar so eine kleine gelbe Fahne! Also nicht zum Haus mit dem gelben Dach, sondern zu dem mit der gelben Fahne!
Und nun ging das Prozedere los 🙄. Mein Englisch ist ja leider ohnehin nicht das Beste, und die haben hier so einen komischen Dialekt, der es nicht einfacher macht. Und erbetene Wiederholungen werden von den Authoritys nur äußerst ungern gemacht! Als erstes Health Service. Mit dem elektronischen Impfzertifikat war es nicht getan, bitte diese 2,5 Seiten, doppelseitig, ausfüllen. Was ist das überhaupt für ein Format, wer denkt sich sowas aus? Durch die ganze Rennerei in der Hitze lief mir der Schweiß nur so runter und tropfte ohne Ende die amtlichen Dokumente voll – aber dazu hat zum Glück niemand was gesagt. Kein Test mehr erforderlich – prima! Dann Customs. Bitte diese 2 Seiten ausfüllen. Ich entwerfe bei der Arbeit ja auch öfter Formulare, aber dabei versetze ich mich doch in die Lage des Benutzers und weiß vorher, wie viel Platz man wohl für die Einträge benötigt! Die Dame verschwindet jedesmal wieder in ihrem klimatisierten Büro. Ich darf klopfen, aber muss warten, bis sie die Tür aufmacht. So, fertig! Und jetzt tragen Sie die ganzen Sachen nocheinmal hier an der PC-Station ein! Nee, oder? Unter anderem auch, wie viel Alkohol ich dabei habe. Wie viel ist das denn mittlerweile, es waren ja schon so viele Inseln, und auf allen gibt’s Rum (ja, ihr seid alle herzlich zum Verkosten eingeladen!)? Wollen die den sehen? Der liegt ganz vorne unter der Vorschiffskoje, das wäre eine elendige Räumerei – tja, abwarten. Ok, fertig! Dann ist erstmal Warten angesagt…. Bis die Dame mir einen Haufen Papiere gibt und meint, damit müsse ich jetzt zur Immigration. Ist zum Glück nur eine Tür weiter. Also dort die Papiere und meinen Pass abgegeben und … warten… Nach einer Ewigkeit kommt die Dame raus und ich muss 6 Seiten unterschreiben. Ok, erledigt, jetzt zum Bezahlen, wieder mit einem Haufen Papiere. Ist zum Glück nur 2 Türen weiter. Ich also geklopft – und aus alter Gewohnheit mit deutschen Amtsstuben den Türknauf gedreht, um die Tür aufzumachen. Da erschallt in sechsstimmigem Chor der Damen, die alle wohl nur darauf gewartet haben, was ich jetzt mache, irgendetwas mir unverständliches – aber es wird wohl so viel geheißen haben wie „Finger weg vom Türknauf“. Ok, also wieder warten… Nach einer Viertelstunde packt die Dame, neben der ich die ganze Zeit stand und die mit ihrem Smartphone beschäftigt war, ihr Telefon ein, geht in das Büro und meint ich dürfe jetzt rein! Dort fülle ich wieder ein Formular aus, zahle 85 $ EC (knapp 30 €) und bekomme dafür im Gegenzug 5 Seiten mit irgendwelchen gestempelten Formularen inkl. eines Cruise Permit für 30 Tage, das mir erlaubt „to peacefully cruise the waters, reefs and enjoy the beaches of these historic islands“.
Das sei ja schnell gegangen, meinte mein Stegnachbar hier, nachdem ich nach Stunden endlich im Hafen fest war, bei ihm hätte das Ganze 1,5 Tage gedauert!
Ach ja, für mein Boot, dass ich unbedingt an den Clearingsteg holen musste, hat sich natürlich niemand interessiert…
Danach bin ich ziemlich tot in die Koje gefallen und konnte mich für das Raggae-Konzert direkt gegenüber vom Boot nicht mehr recht begeistern…
Viel gesehen habe ich hier noch nicht, das erste Bild ist von der Ansteuerung auf Antigua (gesprochen Antiga), das zweite Bild ist von der Einfahrt nach Jolly Harbour, die Yacht ist wohl Opfer eines Hurricanes geworden und das dritte ist aus dem Hafen. Das sind ja ganz schöne Brummer, die sich hier im Hafen von was auch immer ernähren (man könnte jetzt mutmaßen wovon – essen möchte ich sie nicht) und von Schiffshaltern begleitet werden, also den kleineren, schlanken hellen Fischen, die sich mit einer Saugplatte an sie anheften können.
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3 thoughts on “Antigua – I

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      Bisher dachte ich immer, WIR seien Bürokratieweltmeister, aber es geht wohl immer noch ein wenig schlimmer.

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      Ohje, damit bricht ja dann deine letzte, auch noch durch Reisevorbereitungen geprägte Urlaubswoche an, der Rest danach ist schon Heimreise 😳

      Doch des einen „Leid“ ist des anderen Freud, dürfen wir doch die nun folgende Zeit fehlender, informativer Farbfotos mit veritabler Freude auf die verkündete Verkostung füllen 😜
      Denn auch (noch) ohne Buch haben wir es schriftlich vorliegen:
      „Rum (ja, ihr seid alle herzlich zum Verkosten eingeladen!“ – ich freue mich schon auf ein Wiedersehen 👍😂

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        Aber nein, aber nein, ich mache ja eine Rundreise, bzw. eine Acht, da gibt es keinen Hinweg und auch keinen Rückweg, nur den Weg an sich – und der ist das Ziel ☝️!
        Aber auf das Wiedersehen freue ich mich in der Tat auch schon sehr!

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