7 Tage 4 h auf See
So, nun der Reihe nach. Jetzt habe ich mich gesammelt und irgendwie ist dann nach dem Ankerwerfen doch eine ziemliche Last von mir abgefallen – hätte ich gar nicht gedacht.
Letzten Mittwoch nachmittags bin ich los, Ziel Madeira, 380 Seemeilen. Es lief auch ganz gut bis 140 sm vor dem Ziel, dann drehte der Wind, ich hätte ewig kreuzen müssen und hatte echt Bedenken, die kleine Insel nicht zu erreichen. Dann kam in einem Gewitter mit Blitz und Donner und Regen richtig Wind auf, 8 Beaufort hatte ich noch nie. Ich habe das Vorsegel über die Rollanlage gerefft, also verkleinert, um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten. Irgendwann hat die Reffleine aufgegeben und ist gerissen, ich musste dann nachts auf allen Vieren zum Vordeck und das Vorsegel von Hand eindrehen – das war echt eine scheiß Arbeit, ständig hat mir der Wind das gerade mühsam eingedrehte Vorsegel wieder aus der Hand geschlagen. Irgendwann hatte ich es dann, währenddessen sind auf der einen Seite die Lazyjacks gerissen, das sind so Schnüre, die das Großsegel beim runterlassen auffangen. Außerdem hat sich die Verklickerbeleuchtung verabschiedet, die einem nachts beim Blick in den Mast die Windrichtung anzeigt. Zudem kam der Wind aus einer scheiß Richtung, ich musste ständig hoch am Wind fahren, das mag die good old Lady gar nicht und quält sich mit gerademal 3 Knoten vorwärts. Dann hat mir der Satelliten-Wetterbericht vorausgesagt, dass der Wind bald auf West drehen wird – zu einem Zeitpunkt, zu dem ich unmöglich genug Höhe gewonnen hätte, um nach Madeira zu kommen. Irgendwie und Tage später wäre es ja gegangen, aber das war mir alles zu unsicher, daher bin ich einfach 90° nach Süden abgebogen, Richtung Lanzarote. Ich glaube, das war eine gute Entscheidung, ich hatte dann super halben Wind, also Wind von der Seite (den mögen die good old Lady und ich am liebsten) bis kurz vor Lanzarote. Dann hat er auf Nord gedreht, kam also von hinten. Das ist immer etwas tricky, weil das Großsegel dann das Vorsegel abdeckt.
Ach ja, als es in dem Gewitter so fürchterlich geregnet hat wie noch nie in meinem Leben, hatte ich natürlich meine Rettungsweste an. Die habe ich draußen abgelegt, als ich nach unten gegangen bin, damit sie drinnen nicht alles naß macht. Ich hatte sie gerade ausgezogen, da gab es draußen ein Mordsspecktakel – die Weste meinte wohl, sie müsste jemanden retten und hat sich durch die ganze Feuchtigkeit selbst ausgelöst. Da lag sie nun, die gelbe Wurst. Zum Glück habe ich Reserve-CO2-Patronen und -rettungswesten dabei! Ok, was könnte noch kaputt gehen? – die Sprayhood. Diese Spritzkappe schützt den Niedergang ganz hervorragend vor Wind, Regen und üverkommenden Wellen und hat nach vorne „Scheiben“ aus weichem PVC-Material – von denen 2 einen Riß bekommen haben
Da ich es im Hellen nicht mehr bis Arrecife (eine große Marina auf Lanzarote) geschafft hätte und der einzige Hafen hier im Norden nicht auf meine Satelliten-Reservierung reagiert hat, bin ich nun hier vor der Playa Francesa vor Anker gegangen – und hoffe, dass keine „Offiziellen“ mehr kommen und meine Erlaubnis sehen wollen, die man 10 Tage vorher beantragen muss…
Und dann war da noch der Tintenfisch, der heute Morgen an Deck lag und nachts mit einer Welle dorthin gespült sein musste. Ich habe den armen toten Kerl an einen Haken gemacht – und hatte zum Frühstück tatsächlich Goldmakrele oder so was ähnliches. Das tolle am Atlantik ist, dass man alle Fische essen kann, die man fängt – nicht so, wie bei den blöden Pilzen (wobei ich auch hier das zutreffende Asrerix-Heft nicht weiß (dort sind es Muscheln)).
Ich hatte tatsächlich erst gefühlt, ob der Tintenfisch noch warm ist, und ich ihn mir zum Frühstück mache. Nee, stimmt natürlich nicht. Aber in dem Zusammenhang ist mir wieder eingefallen, dass wir früher zu Hause bei meinen Eltern alle totgefahrenen Tiere von den Straßen gesucht haben, um sie zu essen. Das Kriterium „der ist noch gut“ war immer, dass sie noch warm waren, also gerade erst überfahren. Bei uns im Keller hing dann immer mindestens ein Hase am Heizungsrohr unter der Decke im Durchgang. Und weil wir sparen mussten und es kein Licht im Keller gab, bin ich dann im Dunkeln immer wieder an die dort noch baumelnden Hasenpfoten gestoßen, wenn ich ‚was aus dem Keller holen musste und hab‘ mich elendig erschrocken…
Ich habe jetzt einfach die Bilder der letzten Tage unten angehängt, die korrekte Reuhenfolge weiß ich nicht mehr.
Delphine gab´s reichlich. Die hier haben die Spätvorstellung gegeben, kurz vor´m dunkel werden.
5 thoughts on “7 Tage 4 h auf See”
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Oh Mann! Was ein Ritt! Aber schon cool, wenn sich die Sorgen aufs Überleben beschränken! Wenn mehr Menschen diese Erfahrung machen würden, wäre unsere Welt eine bessere, denke ich! Ich freue mich auf die kommende Woche!
Dirk Wahl – Segler, Fotograf und Krimiautor 😅
Megaspannend! Ich bin froh, dass du wieder „hier“ bist. Pass weiterhin gut auf dich auf!
Moin, moin!
Also, besser als Kerstin kann man die Eindrücke nach der Lektüre kaum beschreiben.
Nur mal so am Rande: Dirk, du kannst dich sicher auch noch daran erinnern, dass die übrigen Familienmitglieder aufpassen mussten, überhaupt noch was abzubekommen, wenn du dich über den gebratenen Hasen hergemacht hast.
Na, so langsam weißt du ja auch, aus wieviel Teilen ein Segelboot besteht. Wenn die Hälfte inzwischen erneuert wurde, schaffst du die andere Hälfte sicher noch, bevor es über den großen Teich geht.
Das hat irgendwie was Beruhigendes.
Das klingt wirklich filmreif! Gut, dass Du wieder da bist.
Puh, das ist ja wirklich kein Sonntagsausflug…!