Die große Überfahrt

Die große Überfahrt

Da bin ich wieder!
Ich hab’s geschafft – was für ein tolles Gefühl! Ja Wahnsinn, jetzt bin ich tatsächlich in der Karibik! Das war doch letztens noch (im Februar 2020) nichts weiter als eine spinnerte Idee – und jetzt isses tatsächlich geschehen! Nach 2.100 Seemeilen, 19 Tagen und 10 Stunden (seit den Kapverden) liege ich in der Carlisle Bay vor Bridgetown auf Barbados vor Anker!!! Von den 150 l Diesel habe ich ca. 15 l gebraucht.

Ich habe unterwegs täglich aufgeschrieben, was so passiert ist:

1. Tag, Freitag, 12.11.
Ich bin um 10.30 Uhr gut losgekommen. Vorher hatte ich in „meinem“ Frühstückscafé per WLAN noch die Seekarten aktualisiert und das Weather-Routing laufen lassen: nun sollten es auf einmal 19,3 Tage Passagedauer sein, davon 7 unter Motor (gestern noch 18,5/3,5). Soviel Diesel habe ich gar nicht! Egal, da werde ich irgendwie durchkommen.
Unter Motor ging’s aus der Marina, Großsegel hoch, Motor aus, Ruhe! Um São Vicente herum habe ich viel selbst gesteuert, der Wind war recht unstet. Mit etwas Abstand zum Land wurde es dann immer besser und ich konnte bis Mitternacht auf Steuerbordbug nach Südwesten laufen und ab da dann unter Schmetterling fast genau nach Westen. Zum Abendbrot gab’s mal wieder selbstgefangenen Fisch, so eine kleine Thunfischart wie schon vor Lanzarote – aber zum Glück nur die 2-Tage-Größe.
Ich sitze meist oben im Niedergang und sehe nach vorne aufs Wasser – bin ja mal gespannt, ob ich das auch mal irgendwann leid bin – im Moment ist’s herrlich!

2. Tag, Samstag, 13.11.
Nachts ist der Wind ziemlich eingeschlafen, wir dümpelten mit nur so 2,5 Knoten gen Westen. Dann denke ich ja immer gleich „oh nein, Ralf steht demnächst auf Barbados am Strand und hält vergeblich nach der good old Lady Ausschau…“. Aber noch ist’s ja etwas Wegstrecke, auf der sich alles noch 100 x ändern kann!
Im Dunkeln habe ich aus den Augenwinkeln etwas übers Boot „fliegen“ sehen – vielleicht ein Fisch? Wenn die gegen das Segel knallen, landen die unten im neuen Lazybag und gammeln da wunderbar vor sich, war mein erster Gedanke. Als ich dann heute früh die beiden Reffs aus dem Großsegel geschüttelt habe – was finde ich im Lazybag? Einen gut durchgetrockneten stattlichen fliegenden Fisch von 22 cm Länge. Der muss noch von der Überfahrt zu den Kapverden stammen. Außerdem hat sich wieder ein kleiner Tintenfisch an Deck verirrt – dabei war wirklich nicht viel Welle in der Nacht.
Ich bin ja gestern um 10.30 Uhr losgefahren, also ist heute um 10.30 Uhr der erste Tag rum. Ich plane mit 100 Seemeilen (sm) in 24 h. Tatsächlich habe ich 119 sm zurück gelegt – sehr schön!

3. Tag, Sonntag, 14.11.
Heute Morgen habe ich leider 9 fliegende Fische auf Deck eingesammelt. Tut mir ja auch leid, aber ich kann’s auch nicht ändern, jetzt wo ich hier bin. Nachts beim Segelumstellen ist ein ziemlich Dicker aufs Deck geflogen, der hat es wieder ins Meer geschafft, bevor ich ihm zu Hilfe eilen konnte.
111 sm

4. Tag, Montag, 15.11.
Ich habe entschieden die Kühlschublade abzustellen. Bisher hat das Nachladen der Batterien über die beiden Solarpanels (120 + 55 Watt) gut geklappt, aber heute ist es ein wenig bewölkt. Die Vorstellung, den Motor spätestens morgen für 2,5 h knattern lassen zu müssen, ist mir ein Graus. Zumal in der Kühlung außer Butter, Milch und Papaya-Mus nix drin ist, was nicht auch ungekühlt auskäme. Also gibt’s heute noch ’nen leckeren Butter-Milch-Papaya-Mus-Mix!
Und siehe da, trotz Bewölkung schafft es jetzt die Solaranlage die Batterien zu füllen, da ich nur noch relativ wenig Strom für die Navigationsgeräte benötige – sehr schön!
114 sm

5. Tag, Dienstag, 16.11.
Letzte Nacht scheine ich den Passat gefunden zu haben! Seit dem geht es mit Schmetterling, immer auf dem gleichen Bug Richtung 255° mit 9-12 Knoten Wind. Daraus macht die good old Lady 5-6 Knoten Fahrt – das reicht mir vollkommen. Das Groß ist im 1. oder 2. Reff und das Vorsegel steht fast voll. Ausgerefft wäre sicherlich noch etwas mehr drin, aber so fühle ich mich rundum sicher und auch für Böen gut gewappnet, in denen meistens eine Ecke mehr Wind steckt. Oder dafür, dass in der besonderen Konstellation „starke Böe + ohnehin schon weit angeluvt“ die Bö von vorne ins Vorsegel einfällt und es back stehen lässt. Ist 2 x passiert, aber da ist die good old Lady ja wirklich ganz die feine Engländerin, die davon kein großes Gewese macht, sondern nur freundlich drum bittet, ob es wohl möglich wäre, bei Gelegenheit etwas abzufallen!
121 sm

6. Tag, Mittwoch, 17.11.
Der Wind ging heute den ganzen Tag kontinuierlich auf nur noch 5 Knoten zurück. Das macht nicht wirklich Spaß, weil die Segel im Seegang ständig schlagen (und dadurch leiden) – ist aber nicht zu ändern. Wir machen noch 3,5-4 Knoten Fahrt, unter Motor wären es evtl. 4,5-5 – da spare ich mir das Geknatter noch so lange es geht. Sonntag soll den ganzen Tag echte Flaute sein…
Am späten Nachmittag war der Wind dann ganz weg, also Motor an und bis Mitternacht motort. Dann spürte ich einen winzigen Hauch – und da ich ja doch etwas in Sorge um meinen Dieselvorrat bin: Segel hoch, Motor aus, 2-3,5 Knoten Fahrt. Na immerhin – man wird ja genügsamer…
112 sm

7. Tag, Donnerstag, 18.11.
Wir dümpeln weiter mit 2,5-3,5 Knoten über den Atlantik. Ich hatte gelesen, dass der Passat nicht mehr so beständig wie noch vor 20 Jahren wehen soll – aber ein wenig mehr wäre schon nicht schlecht. Das Blöde ist, dass ich ja nicht weiß, ob ich den Diesel später noch brauchen werde. Ich gehe lieber auf Nummer sicher und schone den Vorrat.
92 sm

8. Tag, Freitag, 19.11
Die Dümpelei geht weiter, das zehrt ganz schön an den Nerven. Zudem ist seit gestern Morgen so wenig Wind, dass die Windsteueranlage das nicht mehr hinbekommt und dauerhaft der elektrische Autopilot läuft – also werde ich doch den Motor zum Batterienladen starten müssen – vielleicht morgen.
Eben habe ich mich vielleicht erschreckt: seit dem letzten Thunfisch am 1. Tag der Überfahrt hatte ich zunächst keine Lust mehr auf Fisch, außerdem war der Kühlschrank aus (weil, wenn man hier ‚was fängt, dann ist das ja immer mehr als klein Dirk mit einem Mal verdrücken kann). Da nun bald der Motor läuft und dann Strom satt da ist, habe ich mein Glück versucht. Tatsächlich hat irgendsoein Mördervieh angebissen, hat sich aber nicht gezeigt und ist irgendwann abgegangen. Ich wollte den Köder einholen und mir ansehen, ob er noch intakt ist. Als er vielleicht 5 m hinterm Boot war und schon an der Oberfläche, hat ihn sich wie aus dem Nichts ein Thunfisch geschnappt und mir fast die Angel aus der Hand gerissen – damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet. Er ist dann auch abgegangen, kurz bevor ich ihn an Bord hatte. Schade, eine schöne 3-Tage-ausschließlich-Thunfisch-Portion.
Ich kontrolliere täglich, ob sich etwas im Ruderblatt der Windsteueranlage verfangen hat. Oh Mann, ja, was großes grünes, wahrscheinlich Seetang, der hier viel rumtreibt. Aber nein, jetzt bewegt es sich vom Ruderblatt weg? Das ist ein Thunfisch, der dicht am Rumpf schwimmt! Ich suche den Rumpf auf der anderen Seite ab: 3 Stück! Keine Ahnung, warum die das machen – vielleicht suchen die ja Schutz vor einem noch größeren Räuber??? Also habe ich den Köder dicht am Rumpf geführt – und zum Frühstück gab es ausgelöstes Thunfischfilet – und abends nochmal als Salat!
85 sm

9. Tag, Samstag, 20.11.
Heute morgen war der Himmel bedeckt, es gab auch einige dunkle Wolken, aus denen es wohl etwas Regen geben könnte. Was tun? In Regensachen geht man hier definitiv ein (in der Kajüte sind es tagsüber immer 29-30 Grad)! Also habe ich mich nackt ins Cockpit gesetzt und es fing auch bald an ein wenig zu tröpfeln. Dann war urplötzlich innerhalb von wenigen Sekunden mein erster Squall da: der Wind drehte um 60° auf Süd und es fing wie aus Eimern an zu regnen. Das mittels Bullenstander gesicherte Großsegel stand sofort back. Ich habe mir also nackt die Rettungsweste angezogen, mich in der Lifeline eingepickt, das Großsegel geschiftet, den Bullenstander auf die andere Seite gebaut und anschließend schnell das ausgebaumte Vorsegel verkleinert – das muss ein nettes Bild gewesen sein!
Danach ging hier voll der Post ab mit „fressen und gefressen werden“ – wobei sich alles auf die fliegenden Fische stürzt: diese „kleine“ Thunfischart jagd sie durchs Wasser und auf dem Weg durch die Luft werden sie von den zahlreichen Möwen (wo kommen die auf einmal alle her, 1.000 sm von jeder Küste entfernt?) abgegriffen. Und das alles spielt sich, soweit ich sehen kann, nur hier direkt bei mir am Boot ab. Danke für die spannende Unterhaltung!
Die „Thunfischeskorte“ schwimmt immer noch hinten links und rechts mit der good old Teal mit. Keine Angst, Fischis, heute mache ich mal „Omega-3-Pause“ (ich mag auch den Geruch von gebratenem Fisch nicht mehr riechen (wie Verleihnix, der Fischhändler in „Asterix und das Geschenk Cäsars“…)
91 sm

10. Tag, Sonntag, 21.11.
Dümpel, dümpel, dümpel… Ich quäle mich weiter mit 3-4 Knoten gen Südwesten. Der Wind wurde kurzerhand von heute Morgen 11.00 Uhr auf morgen um 11.00 Uhr verlegt. Ich bin ja mal gespannt!
Jetzt, glaube ich, weiß ich auch was die Möwen und Thunfische hier am Boot machen. Ich könnte mir vorstellen, dass die good old Lady die fliegenden Fische aufscheucht und die Räuber sich dann bedienen. Heute Morgen schon wieder – was für ein Spektakel!
96 sm

11. Tag, Montag, 22.11.
Halbzeit: heute um 10.30 Uhr war der 10. volle Tag rum und ich habe mit 1.050 Seemeilen genau die Hälfte der Strecke zurück gelegt! Mal sehen, ob es auch die Hälfte der Zeit ist – es gibt leider noch keinen stabilen Wind!
Gestern Nacht war gut Wind, aber nach dem letzten Squall eben ist wieder fast Flaute. Immerhin bin ich jetzt frisch geduscht.
110 sm

12. Tag, Dienstag, 23.11.
Gestern war meine bisher schlechteste Tagesstrecke. Ich brauche ab jetzt mind. 88 sm täglich, um am 4.12. anzukommen, wenn auch Ralf landet. Das ist überhaupt nicht viel, gerade mal 3,7 Knoten Geschwindigkeit. Aber ohne Wind muss man auch die erstmal haben – gerade mache ich satte 3,5 Knoten.
Ich hatte einige frische Sachen in Mindelo eingekauft: 10 Gurken, 10 Zwiebeln, 30 Tomaten, 10 Äpfel und 20 grüne Bananen. Mein Plan war, erst die Äpfel zu essen, denn die waren gekühlt und halten sich dann ohne Kühlung schlecht. Und bis ich die weg habe, können die Bananen reifen. Das tun sie auch – aber jetzt sind seit gestern alle gleichzeitig reif! Ich könnte den Thunfisch von heute morgen damit füllen…
80 sm

13. Tag, Mittwoch, 24.11.
Wind! Seit gestern Abend habe ich konstant zumindest 7-10 Knoten Wind. Soviel hatte ich seit über einer Woche nicht mehr. Mehr muss es meinetwegen gar nicht werden, so schaukeln wir gemütlich gen Westen.
Es ist ganz komisch, wenn ich schon mal ans Ankommen denke. Im Moment möchte ich noch gar nicht ankommen, dafür ist der Blick über diese ewige Weite einfach zu toll. Andererseits rechne ich natürlich schon rum, wie lange es noch dauern könnte. Habe aber immer im Hinterkopf, dass es auch noch ganz anders kommen könnte…
122 sm (ich habe die Route nach Südwest vorzeitig beendet und liege nun direkt Barbados auf 270° an, daher über 100 sm)

14. Tag, Donnerstag, 25.11.
Wind da, Wind fast weg, schlagende Segel und dann wieder schönster Segelwind. Freud und Leid liegen eng beieinander – insgesamt überwiegt aber auf jeden Fall die Freude!
Seit über einer Woche sind es jeden Tag 27°, nachts kühlt es zum Glück auf 26° ab! Gut für die Solaranlage, ich muss den Motor nicht zum Batterieladen anwerfen. Nicht so richtig gut für mich, denn ich habe keinerlei Sonnenschutz im Cockpit – aber einen Sonnenhut mit breiter Krempe! Unten in der Kajüte sind es tagsüber immer 30°. Das ist kein Spaß, sich mal hinzulegen…
Als ich spät abends im Dunkeln das AIS eingeschaltet habe, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen! Da war seit 2 Wochen zum ersten Mal ein AIS-Signal – und nur 4 sm entfernt. Unsere näheste Annäherung sollte 1,6 sm betragen, also habe ich die Segelyacht angefunkt um mich zu erkundigen, ob sie mich sehen. Ja, haben sie. Sie haben dann auch noch den Kurs geändert und sind in größerem Abstand von Nord nach Süd hinter meinem Heck lang. Sie wollten nach Martinique, aber konnten den Kurs mangels Wind nicht anliegen und sind später wie ich gen Westen gefahren.
100 sm

15. Tag, Freitag, 26.11.
Nun bin ich genau 14 Tage auf See, eine Woche liegt noch vor mir – wenn’s weiter so mitläuft. Ich habe gestern die letzte Gurke und Tomate gegessen und die letzten Bananen sind heute über Bord gegangen (zu Hause wäre das ein 1A Fruchtfliegenbiotop gewesen – hier gammeln die einfach nur geräuschlos vor sich hin). Bis auf 2 Zwiebeln habe ich meinen Frisch-Kram-Vorrat nun aufgebraucht. Das wäre doch eine gute Gelegenheit, an den Schiffszwieback zu gehen, den eine liebe Kollegin aus Nienburg mir netterweise extra für die Reise gebacken hat! Ich habe also versucht ein Stückchen abzubeißen – konnte aber nichtmal einen Zahnabdruck drauf hinterlassen. Ich glaube, den Zwieback spare ich mir für den Rückweg auf…
105 sm

16. Tag, Samstag, 27.11.
Heute Nacht um 3.00 Uhr ist der Vorsegelausbaumer gebrochen, so ein Kack! Das ist ein Teleskoprohr aus Alu, mit dem man vor allem auf Vorwindkursen das Vorsegel auf der gewünschten Seite halten kann, gegenüber vom Großsegel, um Schmetterling segeln zu können – anders komme ich mit meiner Segelgaderobe nicht durch den Passat nach Westen. Der Ausbaumer hat 500 € gekostet, meine ich, und mein Vorsegel ist eine Ecke kleiner, als die dafür empfohlene Vorsegelgröße. Er war nicht mal ganz ausgeschoben und wir hatten gerade mal 16 Knoten Wind. Na toll!
Ohne geht es nicht, also muss ich den irgendwie im Schein meiner Stirnlampe flicken. Der erste Impuls ist natürlich: „Kabelbinder“ – ich habe mich aber für Klebeband, darüber von beiden Seiten je eine Leine stramm gewickelt und darüber wieder Kleband, entschieden. Im Moment geht’s, aber ich muss jetzt mit dem langen Baum hantieren, da ich ihn natürlich nicht mehr einschieben kann. Und ich traue mich nicht, das Vorsegel weiter auszureffen, um nicht zu viel Druck auf das Provisorium zu geben. Mal sehen, ob die Konstruktion die 6-7 Tage bis nach Barbados durchhält… und ob ich dort Ersatz bekomme…
Vorher in der Nacht bin ich von einem komischen Geräusch wach geworden. Es hörte sich an, als würde ein Fisch in der blechern klingenden Spüle zappeln. Und tatsächlich hat es ein fliegender Fisch durch den offenen Niedergang direkt in die Spüle geschafft!
109 sm

17. Tag, Sonntag, 28.11.
Seit gestern Nachmittag gibt’s seit Wochen mal wieder schönen Segelwind von 10-15 Knoten. Mit starker Nord-Komponente – eher ungewöhnlich für diese Passat-Region. Nachts habe ich den Schmetterling abgebaut und Segler jetzt auf Backbordbug relativ stabil gen Westen. Der geflickte Vorsegelausbaumer hält weiterhin! Gerne weiter so!
Jetzt isses passiert: Ich habe mich an Thunfisch überfressen, ich mag ihn nicht mehr zu jeder Mahlzeit essen müssen (die sind ja auch gleich immer so groß, dass sie locker für einen ganzen Tag reichen). Also bleibt die Angel unter Deck.
106 sm

18. Tag, Montag, 29.11.
Heute Morgen habe ich 56 fliegende Fische von Deck und aus dem Cockpit aufgesammelt! Und noch während ich im Cockpit sitze und mir den Schlamassel ansehen, klatscht mir Nr. 57 gegen die Schulter – den habe ich natürlich zurück in sein eigentliches Element befördert. Aus Sicht der fliegenden Fische mag das ja eher nebensächlich sein, aber die veranstalten hier an Deck immer eine ganz schöne Sauerei mit ihrer Mischung aus Schuppen und Fischschleim!
So langsam kommen andere Seevögel ins Spiel – ich muss mich wohl irgendeiner Küste nähern. Gestern schon ein Vogel mit riesiger Spannweite und recht schmalen Flügeln. Vielleicht ein Fregattvogelweibchen (den roten Kehlsack der Männchen hatte es nicht). Jedenfalls Hammer, wie virtuos der mit seiner Riesen Spannweite die fliegenden Fische aus der Luft geschnappt hat. Das Wasser hat er nie berührt.
Und seit heute Morgen eine weitere – keine Ahnung – Sturmtaucherart, oder so. Sehen schwarz-weiß marmoriert aus, stürzen sich aus der Höhe volle Pulle ins Wasser, ploppen dann wie ein Korken wieder hoch und haben abei meist was im Schnabel.
123 sm.
Nur noch 304 sm!

19. Tag, Dienstag, 30.11.
Nun, kurz vorm Ankommen, zeigt der Atlantik nochmal, was er alles kann. Seit gestern Nachmittag fahre ich das Großsegel im 3. Reff und das Vorsegel im 2. Nachts gab’s 3 recht heftige Squalls, habe also nicht viel geschlafen. Und seitdem geht’s munter weiter mit Wind über 20 Knoten, jeder Menge Welle und immer wieder Ausläufer von Squalls mit Regen.
Ich muss mich nun auch schon mal mit dem Ankommen beschäftigen – gerne würde ich das natürlich im Hellen erledigen. Bis vor 4 Tagen sah es auch gut aus, seitdem gibt es diesen reichlichen Wind und ich werde wohl morgen Nacht ankommen, so ein Mist. Das bedeutet, im Dunkeln in einer unbekannten Ankerbucht die Abstände zu Nachbarliegern abschätzen, das ganze bei fast keinem Mond und hoffen, dass alle ihre Ankerlaternen am Brennen haben.
123 sm.
Nur noch 181 sm.

20. Tag, Mittwoch, 01.12.
Gestern hatte ich keine Lust, wieder auf allen Vieren über’s Vordeck zu kriechen und die fliegenden Fische abzusammeln – waren auch nicht so viele. Dafür aber letzte Nacht! Bei viel Wind und viel Welle scheinen sie in Fluglaune, das rächte sich bitterlich: 167 der armen Viehcher habe ich eben zurück ins Wasser befördert! Als Trost bleibt vielleicht, dass jedes „Plitsch“ (beim Auftreffen aufs Wasser) von einem gewaltigen „Platsch“ begleitet wird, wenn sich ein Räuber den Fisch nach seinem letzten Flug schnappt…
Ach ja, und heute werde ich ankommen (wenn der Wind weiter so stark und beständig bläst)! Im Moment habe ich noch 42 sm vor mir, das wären noch ca. 8,5 h. Jetzt ist es 10:30 Uhr Kapverden-Zeit, 12:30 Uhr bei euch und 7:30 Uhr Ortszeit Barbados. Ich stelle die Uhren erst um, wenn der Anker gefallen ist, sonst komme ich völlig durcheinander. Jedenfalls habe ich noch 10 h, um im Hellen anzukommen!
139 sm.
Nur noch 42 sm!

Was mir unterwegs so begegnet ist
Man denkt ja immer, da muss verkehrsmäßig die Hölle los sein, auch wenn man sich mal die ganzen AIS-Signale im Internet ansieht – tatsächlich „verläuft“ es sich aber ziemlich:
12.11. nachts ein weißes Licht auf Steuerbord am Horizont – wird wohl ein Fischer gewesen sein
13.11. nix
14.11. tagsüber 1 Schule Delfine und 1 Frachter (entgegen, weit weg und klitzeklein am Horizont)
15.11. nix
16.11. der Active-X-Radarreflektor hat früh morgens einmal „angeschlagen“ – es war aber weder per Auge noch auf dem AIS etwas zu sehen
17.11. nix
18.11. eine Schule Delfine (die waren sichtlich gut drauf!)
19.11. nix
20.11. nix
21.11. nix
22.11. nix
23.11. nix
24.11. nix
25.11. 1 Segelyacht, nachts, in nur 2 sm Abstand
26.11. nix
27.11. nix
28.11. nix
29.11. nix
30.11. nix
01.12. nachts 1 Frachter in 5 sm Abstand; erst auf dem AIS gesehen, dann auch per Auge

Abschied von São Vicente bis Ankunft auf Barbados. Das Blau des Atlantiks wechselt von Marine- über Kobalt- zu Türkisblau.

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9 thoughts on “Die große Überfahrt

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      Toll 🙂 Und ganz viele Glückwünsche von hier!

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      Sagenhaft!

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      Mensch Dirk, da bin ich aber richtig froh, dass du gut „drüben“angekommen bist. War ja fast eine Feinschmeckerreise, Thunfischsteaks musst du hier teuer bezahlen.
      Viele Grüße aus Nienburg, wo gerade die Schneeflocken vorm Fenster tanzen,
      Bettina

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      Einfach Wahnsinn🙃🙂 Klasse👍👍👍

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      juhu, du bist gesund angekommen. echt Wahnsinn ich gratuliere. Helga

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      Applaus, Applaus, Applaus!!!!!
      Und eine sehr unterhaltsam beschriebene Passage, die du da mal wieder hattest – alle Daumen hoch! 🙂

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      Super Dirk, da hat das Daumendrücken ja erstmal ein Ende👍

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      Wir konnten ja eben schon telefonieren. Habe jetzt deinen ganzen Bericht „verschlungen“, auch eine Möglichkeit gefunden, den Blog in WORD zu konvertieren und auszudrucken. Mutter möchte ja immer „was in der Hand haben“. Werde mal ein Glossar aus den ganzen von dir bisher verwendeten seemännischen bzw. nautischen Begriffen zusammenschreiben. Herrlicher Bericht! Das hört sich ja keineswegs nach Eintönigkeit an, die einen nach 20 Tagen, allein im Niedergang sitzend, befallen könnte. Der Gedanke hat mich immer bewegt.
      Schade, dass ich schon so alt bin, sonst würde ich mich auch in einen Flieger setzen, um dich ein paar Tage zu begleiten.
      Jetzt wünsche ich dir gute Eindrücke in der noch sehr jungen „Republik Barbados“ und beim Insel-Hopping.

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      Quelle aventure!! Nous aussi, les Wahl de Kaarst ( Heinz et Jacqueline) suivons ce voyage extraordinaire… Compliments! La traversée de l‘Atlantique digne des plus grands! Tes récits sont passionnants et aussi plein d‘ humour, un vrai plaisir de te lire😊
      Bon séjour aux Caraïbes . A bientôt! Affectueusement de la famille 🥂🍤🎄
      Ja Dierk, haben deinen Blog von deinem Vater erfahren und ich muss sagen, ich bin voller Bewunderung. Jacqueline hat schon alles gesagt. Was für einen Mut und Courage, aber du hast Recht, man soll seine Wünsche immer verwirklichen und je früher desto besser.
      Wir werden weiterhin mit viel Freude deinen Reiseverlauf verfolgen und wünschen dir dazu weiter Glück und tolle unvergessliche Eindrücke.
      Bleib gesund und bis bald H+ J

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